Dr. Werner Schuricht resümiert:
Jeder Gartenbesitzer merkt, dass 2025 eine sehr hohe Obsternte heranwächst, sowohl gesamt als auch bei den einzelnen Obstarten. (Allein die deutsche Apfelernte wird wieder einmal auf über 2 Mio t geschätzt!) Es ist klar, dass die einfacher strukturierten Gräser und Kräuter jährlich weit einheitlichere Ernten hervorbringen als die komplizierteren mehrjährigen Obstgehölze. Bei ihnen weichen die Jahresernten z. T. erheblich, mitunter sogar ums mehrfache, voneinander ab. Extrem wechseln Rekord- und Fehljahre (Ausfalljahre) miteinander. Aber sowohl volkswirtschaftlich als auch privat wäre ein jährlich gleichmäßigerer Ertrag wünschenswert, weil ökonomisch vorteilhaft.
Diese Periodizität des Ertrages wird fachlich Alternanz genannt. Sie ist bei unserer Hauptobstart Apfel am größten und daher wird sie vor allem hier besprochen. Alternanz ist zwar leicht feststellbar, aber ihre Einzelursachen sind schwierig aufzuklären, abzugrenzen und nur mühsam zu beeinflussen.
Zunächst gibt es innere (genetische) Ursachen der Sorten im Wuchsrhythmus, die sich nur schwer verändern lassen, da viele Wechselwirkungen existieren. Das Hauptproblem besteht in drei wichtigen Prozessen der Stoffbildung, die zeitlich parallelablaufen, also miteinander konkurrieren: Triebwachstum (Blatt-), intensives Fruchtwachstum und Blütenbildung für das Folgejahr. Diese Prozesse erfolgen bei Kernobst, wo das Fruchtwachstum den beiden anderen Prozessen übergeordnet ist und lange anhält, als ausgeprägte Überschneidungen. Bei Steinobst erfolgen sie dagegen mehr hintereinander und sind daher viel unproblematischer, denn die Blütenbildung fürs Folgejahr beginnt in der Regel erst Ende Juli/Anfang August, wenn das Fruchtwachstum vorüber ist. Als Folge sind die Steinobst-Arten und ebenso das Beerenobst viel blühwilliger.
Viele Jahre vermutete man in der Erschöpfung an Nährstoffen und Reservestoffen die Ursache ertragsarmer Jahre. Aber so einfach ist es offenbar nicht, denn auch Wuchs- und Hemmstoffe scheinen in dem komplexen Geschehen eine wichtige Rolle zu spielen.
Für die Ertragsbildung ist neben der Blühwilligkeit(Blütenbildung) auch die Fruchtungstendenz(Blütenentwicklung zu Früchten) ein ebenso wichtiger Faktor. Demgegenüber ist die Fruchtgröße weniger entscheidend und bei geringem Ertrag am wirksamsten. Die Blütenbildung bzw. -differenzierung erfolgt grundsätzlich am Neuwuchs (Neutrieb), und zwar an Lang- und Kurztrieben. An den Kurztrieben, die sich stets am Altholz befinden, ist der Neutrieb-Bereich oft nur minimal lang, also extrem gestaucht und kaum erkennbar. Die Blüten an den Kurztrieben werden etwas früher angelegt, und sie blühen auch einige Tage früher als jene an den 20-80 cm langen Langtrieben, die sich zeitlich etwas später ausbilden und blühen. Dadurch tritt schon eine gewisse Ertragssicherung gegen Blütenfrost ein, wenn dieser nur kurzfristig auftritt.
Die Gesamtheit der mehrjährigen, verzweigten Kurztriebe nennt man Quirlholz, das an der Verzweigung der ‚Goldparmäne‘ am typischsten zu erkennen ist. Moderne Apfelsorten des Erwerbsobstbaus bilden in erhöhtem Maße die Blüten schon am einjährigen Holz (Neuwuchs) aus. Intensiver Obstbaumschnitt am Niederstamm unterstützt diese Tendenz (Prinzip „Schlanke Spindel“).
Damit Insekten die Blüten bestäuben können, müssen sich die Blütezeiten überschneiden und die Blüten auch untereinander befruchtungsfähig sein sowie in ausreichender Zahl Bienen (1-2 Völker je ha) existieren.
Die Apfelsorten unterscheiden sich im Alternanzverhalten z. T. deutlich. Von den bekannteren Sorten gilt z. B. ‚James Grieve‘ ertraglich als nahezu ideal ausbalanziert: mittelstark wachsend, sehr blühwillig, mit nur mäßiger Fruchtungstendenz (Bildung von 1 Frucht/30 Blütenstände), daher regelmäßig tragend und gering alternierend (37 %). ‚Carola‘ dagegen wächst höchstens mittelstark, ist sehr blühwillig mit hoher Fruchtungstendenz und alterniert deutlich stärker (56 %). Die starkwüchsigen, triploiden Apfelsorten mit wenig befruchtungstauglichem Pollen, welche einen hohen Anteil der extensiven Streuobstsorten stellen (Boskoop, Jakob Lebel, Kaiser Wilhelm, Gravensteiner u. a.) neigen allgemein stärker zur Alternanz.
Generell reichen bei Kernobst schon 4-5 % Blüten, um Vollertrag zu ermöglichen. Das bedeutet etwa 1-2 sich bis zur Frucht entwickelnde Blüten je Blütenstand. Bei Steinobst sind jedoch 25 % der Blüten erforderlich, um Vollertrag zu gewährleisten.
Auf dem langen Weg bis zur Ernte durchläuft das Obstgehölz verschiedene Perioden des natürlichen Fruchtfalls, wovon der Juni-Fruchtfall, wenn die Früchte etwa haselnussgroß sind, der wichtigste ist. Es ist die große Selbstreinigung des Baumes vor „Überbehang“, wobei die am wenigsten befruchteten Jungfrüchte, allerdings sortenweise unterschiedlich, abgeworfen werden.
Der Rekord-Obstertrag 2025 resultiert großteils aus dem sehr niedrigen Ertrag im Vorjahr, durch den die Gehölze ihre Reserven voll auffüllen konnten und sich nicht verausgabten. (Die Fehlernte 2024 bewirkte notgedrungen auch das Absterben der meisten Fruchtschädlinge wie Apfelwickler und Kirschfruchtfliege. Daraus erwuchs indirekt der Vorteil der auffälligen Freiheit von diesen Schadinsekten 2025.)
Großflächig störten dieses Jahr weder Winter- noch Blütenfrost, auch Hagel und extreme Trockenheit fehlten ebenso wie große Krankheitskalamitäten, darüber hinaus fiel ausreichend Niederschlag. Das trug alles zum Spitzenertrag bei.
Allerdings lässt der Überbehang dieses Jahr schon den Beginn neuer Alternanz-Entwicklungen erahnen. Die Variation des Ertrages ist einfach sehr vielfältig. Auch Baumalter, Unterlage und Pflanzabstand spielen mit eine Rolle.
Die Obstbauer sollte sich bemühen, nach bestem Wissen und Gewissen die Alternanz ihrer Gehölze positiv zu beeinflussen, wenn auch statt realer Ertragsregulierung nur Teilerfolge möglich sind. Selbst eigene Versuche könnte man dazu anstellen, wenn vergleichbare Bäume existieren, um selbst tiefere Einblicke zu erlangen.
Bescheidene Einwirkungsmöglichkeiten auf die Alternanz:
- Regelmäßiger Schnitt, um einen möglichst hohen Anteil ein- bis dreijähriges Fruchtholzes (Fruchtholz-Umtrieb) mit günstigem Blatt/Frucht-Verhältnis zu erlangen (optimal: 30 : 1).
- Zeitiges Ausdünnen von Früchten, ideal schon der Blüten. Am wirksamsten: Entnahme ganzer Blütenstände. Prinzipiell ist der Obstbaumschnitt die früheste Variante der unbewussten „Ausdünnung“ der vorgebildeten Blüten mit der Zweigentnahme.
- Wiederholt (fraktioniert) ernten zur Gehölz-Entlastung, eventuell schütteln.
- Optimale Bodenpflege, Mineralstoff- und Wasserversorgung, notfalls bei Hochertrag gezielte Harnstoffspritzung (0,5-1,0 %) zur schnellen Stickstoff-Versorgung.






